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AutorenbildSabine Rohwer

Unser Immunsystem: Aufbau und Funktion

Anatomie und Physiologie des Immunsystems

Wir sind vielen Faktoren ausgesetzt, die unser Immunsystem immer wieder auf die Probe stellen.

Ständig versuchen Parasiten, Bakterien und Viren in unseren Körper einzudringen. Sie befinden sich in der Atemluft, in und an den Nahrungsmitteln, auf unserer Haut und auch in unserem Körper, z.B. im Verdauungssystem. Nicht alle machen uns krank. Aber für die Gesundheit und zum Schutz vor Infektionen ist ein funktionstüchtiges und vielschichtiges Abwehrsystem notwendig, das sofort Krankheitserreger und körperfremde Stoffe oder auch entartete körpereigene Zellen erkennt und bekämpft.


Schutzbarrieren

Unser Körper verfügt über Schutzbarrieren, die viele Erreger vernichten, bevor das Immunsystem eingreifen muss.

Schon das Eindringen in den Körper wird erschwert, denn der Organismus verfügt über ausgeklügelte Schutzbarrieren.

Die Haut hat einen pH-Wert von 5,7 und ist deshalb leicht sauer. Durch diesen Säureschutzmantel wirkt die Haut aktiv gegen das Eindringen fremder Keime.

Die Tränenflüssigkeit enthält ein Enzym, das Bakterien abtöten kann.

Der Speichel im Mund enthält ebenfalls ein solches Enzym. Außerdem schützt die Schleimhaut des Verdauungssystems durch chemische Wirkungen vor Bakterien.

Die Magensäure tötet aktiv Erreger ab.

Im Zwölffingerdarm herrscht ein alkalisches Milieu, das den Bakterien nicht gut bekommt.

Die Scheide ist durch ein saures Milieu geschützt.

Blase und Harnröhre werden durch den Harn laufend gespült und sind so gegen das Einnisten von Bakterien geschützt.

Durch die Flimmerhärchen und den Schleim in den oberen Luftwegen wird das Eindringen von Erregern in die Atemwege erschwert.

Trotz dieser Schutzbarrieren kann es Keimen gelingen, in den Körper einzudringen.

Dann werden die Mechanismen der unspezifischen und der spezifischen Abwehr aktiviert.


Die Bestandteile des Immunsystems

Das Immunsystem besteht aus einem System von ineinandergreifenden Mechanismen, das sich aus Abwehrzellen der weißen Blutkörperchen, den Leukozyten, aus löslichen Proteinen und aus Organen zusammensetzt.

Das Immunsystem ist äußerst komplex aufgebaut. Viele verschiedene Organe und Gewebe erfüllen sowohl spezielle als auch allgemeine Aufgaben. Sie können eine „Aufgabe“ zusammen bewältigen, oder aber auch einzeln „an die Arbeit“ gehen. Dabei greifen alle Mechanismen ineinander und beeinflussen sich gegenseitig.

Zum Immunsystem gehören Thymus und Milz als Organe und Gewebe wie Knochenmark, Lymphknoten, Mandeln und das lymphatische Gewebe des Darms, die Peyer-Plaques. Immunzellen befinden sich in fast allen Geweben des Körpers.

Aufgrund der Funktionen werden zwei Typen von Organen und Geweben unterschieden:


Primär lymphatische Organe dienen der Entstehung, Entwicklung und Reifung von Immunzellen. Dazu gehören das Knochenmark und der Thymus.

Im Knochenmark entstehen alle Immunzellen. Hier finden Entwicklung und Reifung der B-Zellen statt.

Im Thymus reifen und entwickeln sich die T –Zellen. Vom Knochenmark und vom Thymus gelangen die Immunzellen in die Blut- und die Lymphbahnen und erreichen auf diesem Wege die Organe und Gewebe des Körpers.


Sekundär lymphatische Organe sind diejenigen Gewebe, in denen die Immunzellen aktiv werden. Dazu gehören Lymphknoten, Mandeln, Milz und lymphatische Gewebe auf Schleimhäuten, wie die Peyer-Plaques.


Weiße Blutkörperchen = Leukozyten = Immunzellen = Immunozyten

Leukozyten sind bestimmte Zellen des Körpers, die im Blut, im Knochenmark, in den lymphatischen Organen und anderen Körpergeweben zu finden sind. Morphologisch werden sie den Erythrozyten (roten Blutkörperchen) gegenübergestellt, da sie im Gegensatz zu diesen nicht den roten Farbstoff Hämoglobin enthalten.

Leukozyten erfüllen spezielle Aufgaben in der Abwehr von Krankheitserregern und körperfremden Strukturen. Sie sind Teil der spezifischen und unspezifischen Immunabwehr, weshalb sie auch als Immunzellen oder Immunozyten bezeichnet werden.

Die weißen Blutkörperchen umfassen die B-Lymphozyten (= B-Zellen), T-Lymphozyten (= T-Zellen) und die natürlichen Killerzellen. Lymphozyten machen 25 bis 40 Prozent der Leukozyten aus.


B-Lymphozyten oder kurz B-Zellen sind eine Unterklasse der weißen Blutkörperchen (Leukozyten), die wie alle Blutzellen ursprünglich aus dem Knochenmark stammen. Die einzige Aufgabe von B-Zellen besteht darin, zu B-Plasmazellen heranzureifen, die dann massenhaft Antikörper produzieren.

Diese y-förmigen Eiweiße können chemische Strukturen regelrecht erkennen. Ihre Erkennungsstellen befinden sich am Ende der kurzen Y-Ärmchen. Letztlich müssen Antikörper in der Lage sein, möglichst jede körperfremde Struktur zu erkennen und sich an sie zu binden, um sie so zur Bekämpfung durch Fress- und andere Zellen freizugeben. Ein Antikörper erkennt jedoch immer nur eine einzige definierte Struktur, nämlich sein Antigen; das heißt, für einen optimalen Schutz müssen Millionen, wenn nicht Milliarden unterschiedlicher Antikörper hergestellt werden.

Antikörper sind Spezialisten. Tatsächlich kann unser Immunsystem genau das: falls nötig, produzieren B-Plasmazellen bis zu 100 Milliarden unterschiedlicher Antikörper. Wenn der Vorläufer der B-Plasmazelle, also die B-Zelle, neu entsteht, werden die etwa 300 Gene, in denen der Bauplan der Antikörper festgelegt ist, jeweils neu kombiniert. Wie bei einem Lottospiel, bei dem schon aus 49 Zahlen Millionen verschiedener Kombinationen gezogen werden können, können B-Zellen mit ihrem „Gen-Lotto“ theoretisch bis zu 100 Milliarden unterschiedlicher Antikörper herstellen.

Die ersten Antikörper, die eine B-Zelle produziert, gibt sie nicht an ihre Umgebung ab, sondern verankert sie in ihrer Außenhaut, ihrer Plasmamembran. Die kurzen Y-Ärmchen ragen nach außen, die Y-Basis steckt in der Plasmamembran. Jede B-Zelle verfügt über etwa 10.000 solcher Antikörpermoleküle auf ihrer Membran. Wenn ein Infektionserreger im Körper auftaucht, heften sich an seine Außenhülle genau diejenigen B-Zellen, deren Antikörpermoleküle das zu ihnen passende Antigen erkennen.

Sobald das geschehen ist, bereiten diese passenden B-Zellen die Massenproduktion von Antikörpern vor. Nach der Bindung teilen sie sich vielfach und entwickeln sich weiter zu so genannten B-Plasmazellen, die in großen Mengen ihren spezifischen Antikörper produzieren und freisetzen: bis zu 2.000 Stück in der Sekunde. Diese Antikörpermassen docken dann an ihre Antigene auf der Hülle des Erregers an und markieren ihn damit eindeutig als zu zerstörende Struktur.

Die Umwandlung einer B-Zelle zu einer Antikörper- produzierenden B-Plasmazelle dauert etwa 7 bis 10 Tage, was nicht zufällig an die Dauer einer typischen Infektion erinnert. Auch ein Schnupfen kann erst dann abklingen, wenn genügend Antikörper gebildet worden sind, um den Erreger in den Griff zu bekommen.


T-Lymphozyten oder T-Zellen sind eine weitere Gruppe der weißen Blutkörperchen und gehören zum Abwehrsystem des Körpers. Die T-Zellen entstehen im Knochenmark und wandern dann zum Thymus.

Dort werden die Abwehrzellen dann eingehend geschult und für ihre bevorstehenden Aufgaben als "Killerzellen", "Helferzellen", "Gedächtniszellen" und "Regulatorische T-Zellen" ausgebildet.

Wenn eine Körper-Zelle von einem Krankheitserreger befallen wird, transportiert sie Bruchstücke des Eindringlings an die Oberfläche ihrer Hülle, wo sie von den T-Zellen des Immunsystems erkannt werden. Die T-"Killerzellen" haben dann die Aufgabe, die kranke Zelle und mit ihr den feindlichen Eindringling zu vernichten.

Die T-"Helferzellen" aktivieren durch biochemische Signal-Stoffe andere Abwehrzellen. Zum Beispiel sorgen sie dafür, dass sich die Killerzellen vermehren, und sie helfen bei der Produktion von Abwehr-Waffen.

Die T-"Gedächtnis-Zellen" sind langlebig und können sich auch später noch an die feindlichen Eindringlinge erinnern. Treffen sie nach einiger Zeit erneut auf den gleichen Krankheitserreger, vermehren sie sich rasch und mobilisieren schnell und effektiv das Immunsystem. Den Gedächtniszellen ist es zu verdanken, dass wir in der Regel gegen Krankheiten, die wir bereits hatten, immun sind.

Regulatorische T-Zellen, manchmal auch "Suppressor-T-Zellen" genannt, stoppen alle Abwehrzellen, die versehentlich körpereigene Gewebe angreifen würden.


Das Lymphsystem

Der gesamte Körper ist von einem System von feinen Lymphbahnen durchzogen. In den Kapillaren der Arterien tritt Blutplasma durch die feinen Membranen in die Zellzwischenräume aus. Zusammen mit dieser Flüssigkeit gelangen auch Leukozyten in die Zellzwischenräume. Ein Großteil des Blutplasmas – 90 Prozent – wird wieder in die venösen Blutgefäße rückresorbiert. Die restlichen 10 Prozent gelangen als Lymphe in die Lymphbahnen.

Die Lymphkapillaren befinden sich überall im Körper. Sie verlaufen parallel zu den venösen Blutgefäßen. Die Lymphkapillaren beginnen blind und vereinigen sich zu immer größeren Lymphbahnen. Die Lymphbahnen wiederum laufen in den Lymphknoten zusammen und werden von dort über große „Sammelbahnen“ weitergeführt. Einer der wichtigsten ist der Milchbrustgang oder Ductus thoracicus, der die Lymphe aus dem unteren Körperabschnitt sammelt. Im linken und rechten Venenwinkel gelangt die Lymphe zurück in die Blutbahn.

Das Lymphsystem hat die Aufgabe, Nahrungsfette aus dem Darm zu transportieren. Durch die Rückführung der Lymphe in die Blutbahn sorgt es dafür, dass die Zellzwischenräume von überschüssiger Flüssigkeit befreit werden.

Die Lymphknoten sind Filterstationen, die die Lymphe reinigen. Durch Makrophagen und Lymphozyten werden Krankheitserreger, Fremdkörper und Zelltrümmer beseitigt. Die Lymphknoten sind außerdem auch Bildungsstätten der Lymphozyten, die sich vorwiegend im lymphatischen System und nur zu einem geringen Teil in den Blutbahnen aufhalten.

Weil die Lymphknoten Krankheitserreger, Fremdkörper und Zelltrümmer beseitigen, schwellen bei einer Infektion die Lymphknoten in diesem Gebiet an. Bei Erkältungskrankheiten können z.B. die Lymphknoten im Bereich von Nacken, Unterkiefer und Hals anschwellen. Bei sehr schweren Erkrankungen , die sich auf den gesamten Körper auswirken können, z.B. Krebs, können auch die Lymphknoten im gesamten Körper anschwellen.


Mandeln oder Tonsillen

sind lymphatische Organe in der Mundhöhle und im Rachen. Wenn man von Mandeln spricht, dann meint man meistens die Gaumenmandeln (Tonsilla palatina), die paarig am hinteren Ende des Gaumens zwischen den beiden Gaumenbögen (Arcus palatoglossus und Arcus palatopharyngeus) liegen. Darüber hinaus gibt es weitere Mandeln, die in ihrer Gesamtheit als lymphatischer Rachenring bezeichnet werden. Die Mandeln sind die erste Station des Körpers, an der sich Parasiten lokalisieren, und funktionieren somit als Detektor schädlicher Organismen.

Mandeln sind bindegewebig abgegrenzte Ansammlungen von Lymphknötchen (Lymphfollikel) direkt unter dem Epithel der Schleimhaut. Zur Vergrößerung der Oberfläche kann die Mandel einen Schleimhautwulst hervorwölben (Beetmandel), Mandeln ohne Reliefbildung auf der Schleimhaut bezeichnet man als Plattenmandeln. Die Mandeln haben ein zerklüftetes Oberflächenrelief, in das sich leicht Toxine und Parasiten ansammeln können.


Die Milz

Die Milz ist das größte der lymphatischen Organe und das einzige in der Bauchfellhöhle (Bauchfell) gelegene Organ, das nicht zum Verdauungsapparat gehört.

Sie ist ein in den Blutkreislauf eingeschaltetes Organ des lymphatischen Systems und liegt in der Bauchhöhle nahe dem Magen. Die Milz hat drei grundlegende Aufgaben. Zum einen dient sie der Vermehrung der zu den weißen Blutkörperchen gehörenden Lymphozyten und spielt daher eine Rolle bei der Abwehr körperfremder Stoffe (Antigene). Im Rahmen der Immunabwehr findet in der Milz die antigeninduzierte Differenzierung und Vermehrung von B- und T-Lymphozyten statt.

Zweitens ist sie ein wichtiger Speicherort für die ebenfalls zu den weißen Blutkörperchen zählenden Monozyten.

Drittens dient sie der Aussonderung überalterter roter Blutkörperchen.

In der späten Fetalentwicklung und bei Kindern spielt die Milz darüber hinaus auch eine Rolle bei der Bildung roter Blutkörperchen.

Die Milz des Menschen ist ein etwa 12 × 8 × 4 cm großes Organ, wiegt 150 –200 Gramm und liegt im linken Oberbauch unterhalb des Zwerchfells und oberhalb der linken Niere. Bei Säugetieren kann die Milz erhebliche Ausmaße einnehmen, beim Pferd ist sie ca. 50 cm lang.

Die Milz wird von einer bindegewebigen Kapsel umgeben.

Die Milz vereint in Bau und Struktur zwei Organe. Die weiße Pulpa als Innenorgan übernimmt als lymphatisches Organ immunologische Aufgaben. Die rote Pulpa entfernt schädliche Partikel aus dem Blut mittels ihrer Fresszellen (Phagozyten). Sie speichert auch weiße Blutkörperchen und Blutplättchen, die sie ausschütten kann.

Eine Milzvergrößerung kann viele Ursachen haben. Unter anderem kann sie ein Zeichen einer Leukämie, einer Malaria-Infektion oder einer Viruserkrankung (z. B. Epstein-Barr-Virus-Infektion) sein.

Bei Menschen mit funktionsunfähiger oder fehlender Milz besteht eine Abwehrschwäche vor allem für bekapselte Bakterien (z.B. Pneumokokken) Bei diesen Menschen kommt es in seltenen Fällen zu einem OPSI-Syndrom, d.h. einer schnell verlaufenden bakteriellen Infektion und Sepsis mit hoher Sterblichkeit.


Lymphatisches Gewebe

Um vor allen Angreifern geschützt zu sein, besitzt unser Körper noch zusätzlich lymphatisches Gewebe. Dieses Gewebe bildet keine abgeschlossene Einheit, wie etwa die Organe des Lymphsystems, sondern es liegt frei im Zellverband vor, um dort die Immunabwehr gegen eindringende Fremdstoffe zu leiten.

Lymphatisches Gewebe findet man vor allem an jenen Stellen, an denen der Körper ständigem Kontakt mit Antigenen ausgesetzt ist - den Schleimhäuten.

Schleimhäute kleiden alle unsere Körperhöhlen aus: den Verdauungstrakt, die Atemwege und das Urogenitalsystem. Das darin eingelagerte lymphatische Gewebe hat die Aufgabe, Fremdstoffe noch vor ihrem Eindringen in unseren Körper zu vernichten.


Das lymphatische Gewebe des Magen-Darm-Traktes

Unser Magen-Darm-Trakt ist ständig zahlreichen Antigenen ausgesetzt, die durch die Nahrung aufgenommen werden: Bakterien, Viren und auch Nahrungsmittelallergene befinden sich in jedem Bissen, den wir zum Mund führen. Um hier erfolgreich bestehen zu können, braucht es viel Gegenwehr: Etwa 25% der Darmschleimhaut werden von lymphatischem Gewebe ausgemacht.

Besonders auffällig sind die Peyer´schen Plaques, eine Ansammlung von lymphatischen Zellen. Sie bilden kugelförmige Strukturen und sind in der Darmschleimhaut eingelagert. In einem Darm eines Menschen findet man etwa 20 bis 30 dieser Peyer´schen Plaques.

Auch im Blinddarm oder Wurmfortsatz findet man lymphatisches Gewebe, das voller ausgereifter T- und B-Zellen ist.


Das Lymphgewebe der Atemwege

Wer kennt sie nicht - die verschnupfte Nase oder die geschwollenen Mandeln, die einem während einer Krankheit das Atmen und Schlucken so schwer machen? Sie sind Zeichen dafür, dass das lymphatische Gewebe des Atmungstraktes in vollem Einsatz ist.

Rund um den Rachen befinden sich kleine, mandelförmige Gebilde. Sie formen den lymphatischen Rachenring und schwellen bei einer Immunabwehr stark an - daher kommen die Schluckbeschwerden.

Auf der Zunge liegt ebenfalls lymphatisches Gewebe, und auch in der Nase befinden sich - ähnlich wie am Gaumen - kleine lymphatische Gewebskomplexe, die auf die Beseitigung von Krankheitserregern spezialisiert sind.

Wenn Sie also das nächste Mal über Ihre verstopfte Nase oder den geschwollenen Hals klagen, so denken Sie daran, dass in den lymphatischen Geweben gerade zahlreiche B- und T-Zellen damit beschäftigt sind, einen lästigen Eindringling schnellstens loszuwerden.





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